Reilingen
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Gedenkstein in Reilingen

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Deportation

Max Kahn, der langjährige Schriftführer des Reilinger Turnerbundes Germania 1890, hatte einen guten Ruf im Dorf. Er war der einzige noch dort anwesende Jude, als am 22. Oktober 1940 die badischen Jüdinnen und Juden abgeholt wurden. Am 17. August 1942 wurde er von den Nazis bzw. ihren französischen Helfern in das bei Paris gelegene Sammellager Drancy verschleppt und von dort mit dem Transport 20 in das KZ Auschwitz gebracht. Der Transport 20 umfasste 1.000 Personen, von den 878 gleich bei der Ankunft des Transportes getötet wurden – unter diesen vermutlich auch Max Kahn.

Jüdische Ortsgeschichte

Die jüdische Gemeinde Reilingen hat sich in der Mitte des 18. Jahrhunderts etabliert. Das Zentrum jüdischen Lebens war die „Judengasse" (Wörschgasse). Die dort wohnenden jüdischen Familien lebten vom Textil-, Stroh- und Fruchthandel sowie vom Viehhandel. Das 1840 eingeweihte Synagogengebäude in der Hockenheimer Straße beherbergte neben dem Betsaal auch eine Religionsschule und das rituelle Bad. 1825 gehörten der jüdischen Gemeinde 94 Personen an (9,4 % der Ortsbevölkerung), 1900 waren es nur 42 (1,8 % der Ortsbevölkerung). 1925 war unter den 21 jüdischen Einwohner Reilingens nur ein einziges schulpflichtiges Kind.

Aufgrund ihrer stark gesunkenen Mitgliederzahl veranlasste das Badische Staatsministerium 1937 die Auflösung der jüdische Gemeinde Reilingens 1933 lebten noch elf jüdische Personen in Reilingen. An jüdischen Geschäften existierten noch ein Textilhandel, eine Handlung mit Vieh und Hopfen sowie eine Zigarrenfabrik. Infolge zunehmender Repressalien verließen einige Jüdinnen noch vor dem Novemberpogrom 1938 ihren Heimatort. Am 10. November 1938 Tag stürmten Schulkinder das Textilgeschäft der Schwestern Elise und Betty Kahn angeführt von ihren Lehrern; sie sollen auch die Inhaberin misshandelt haben. Der Viehhändler Nathan Falk wurde verhaftet und für einige Wochen in das KZ Dachau verbracht; nach seiner Freilassung gelang es ihm mit seiner Familie in die USA zu emigrieren.

Zeugnisse jüdischen Lebens
Gedenksteine

Die Namen der jüdischen Kriegsteilnehmer 1870/71 stehen auf dem Kriegerdenkmal am Reilinger Rathaus.

Synagoge

Neuromanische Formelemente zieren die Fassade der einstigen Synagoge (Hockenheimer Straße 19).

 

Quellen
700 Jahre Reilingen. Chronik einer Gemeinde in Nordbaden, Reilingen [1984], 361-368