Gengenbach
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Gedenkstein in Gengenbach

48.4098117, 8.0095997

Deportation

Am 22. Oktober 1940 wurden die letzten neun noch in Gengenbach wohnhaften Jüdinnen und Juden in das Internierungslager Gurs in Südwestfrankreich verschleppt. Eine Gegenbacherin war Zeugin ihrer Abholung: „Ich erinnere mich an den 22. Oktober 1940 in Gengenbach, ich war damals 16 Jahre alt. Im Laufe des Tages hatte sich das Gerücht verbreitet, dass am Abend die restlichen in Gengenbach verbliebenen Juden weggebracht werden sollten. Bei Einbruch der Dunkelheit machte ich mich von Neugier und Interesse getrieben auf den Weg. In der Hauptstraße traf ich auf eine Gruppe von Zuschauern, die sich vor dem Valfer‘schen Haus, der heutigen Winzergenossenschaft, eingefunden hatte. Ein Lastwagen stand vor dem Haus. Ich kam gerade hinzu, als etwa drei bis vier fremde Männer, die als SA-Leute erkennbar waren, den letzten jüdischen Bewohner des Hauses auf die Straße brachten. Es war Ludwig Valfer, auch Lui genannt, damals 69 Jahre alt, der von Jugend auf gehbehindert war. Sein Bruder besaß die Weinhandlung im Haus. Wir sahen zu, wie die Männer den gehbehinderten Mann zum bereitstehenden Lastwagen trieben und, da er Mühe hatte aufzusteigen, in den Laderaum stießen. Eine maßgebende Amtsperson, die zugegen war, hörte man sagen: ‚Da seht ihr den letzten Gengenbacher Juden.` Die Männer stiegen in den Lastwagen, in dem vermutlich noch andere Juden waren, und fuhren davon.“

Jüdische Ortsgeschichte

In einer Urkunde des Jahres 1308 wird ein in Gengenbach lebender jüdischer Händler erwähnt, weitere Hinweise jüdischen Lebens im Mittelalter oder in der Neuzeit in der Reichsstadt liegen nicht vor. Es ist auch nicht bekannt, ob die 1527 zum ersten Mal erwähnte „Judengasse“ (heute Engelgasse) jemals von Juden bewohnt war. Nach der rechtlichen Gleichstellung der badischen Juden im Jahr 1862 zogen mehrere jüdischen Familien in die Stadt. Sie stammten aus Diersburg und aus anderen „Judendörfern“ der südlichen Ortenau. Die jüdischen Neubürger bildeten eine Filiale der Offenburger Gemeinde, auf deren Friedhof sie auch ihre Toten beisetzten. Ihre Gottesdienste feierten sie zwischen 1903 und 1934 in einem Raum im zweiten Stock des alten Kaufhauses am Marktplatz. 1933 lebten in Gengenbach 34 Jüdinnen und Juden; darunter elf Kaufleute (Textilien, Wein und Tabak), drei Viehhändler, zwei Angestellte, ein Gerichtsreferendar, eine Säuglingspflegerin, eine Näherin und sechs Hausfrauen.

Drei Gengenbacher Deportierte starben in Gurs bzw. in einem anderen französischen Lager, vier kamen in den Vernichtungslagern von Auschwitz, Flossenbürg und Maydanek zu Tode, zwei war es gelungen aus dem Lager zu entkommen und im Untergrund zu überleben.

Zeugnisse jüdischen Lebens
Synagoge

Im alten Gegenbacher Rathaus am Marktplatz traf sich die jüdische Gemeinschaft Gengenbachs zu ihren Gottesdiensten. Eine Tafel an der Fassade erinnert an die jüdischen Opfer des nationalsozialistischen Rassenwahns aus Gengenbach.

Stolpersteine
Quellen
Aubele, Gabriele: Jüdische Mitbürger in Gengenbach während der Zeit des Nationalsozialismus. 1983
Historische Verein Gengenbach: Gegenbach eine Zeitreise. Geschichten und Bilder von damals und heute, Gegenbach 2023, S. 243-8
Ruch, Martin: 700 Jahre Geschichte der Juden in Gengenbach: 1308-2008, Willstätt 2008
Petri, Dieter: Gengenbach, in: Jüdisches Leben in der Ortenau 2018, S. 107-109