Bretten
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Gedenkstein in Bretten

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Deportation

Am 22. Oktober 1940 wurden 18 Personen aus Bretten in das in Südwestfrankreich gelegene Internierungslager Gurs verschleppt: Sechs Männer im Alter von 48 bis 75 Jahren, elf Frauen im Alter von 22 bis 72 Jahren und ein fünfjähriger Junge. Der evangelische Stadtpfarrer Otto Leiser fotografierte ihre Abholung. Die seit 2006 im Stadtarchiv Bretten verwahrten vier Aufnahmen gehören zu den wenigen Fotodokumenten von der Deportation der badischen Juden. Auf einem Bild ist der 1935 geborene Albert Erlebacher zusammen mit seinen Eltern Julius und Irma Erlebacher zu sehen. 1942 schmuggelten ihn Hilfsorganisationen aus dem Lager und brachten ihn in Heimen unter, um ihn dem Zugriff der französischen Polizei bzw. der Nationalsozialisten zu entziehen. Im März 1943 wurde er von Helfern über die Grenze in die Schweiz gebracht. Seine Eltern und weitere acht Brettener Jüdinnen und Juden wurden von den Nationalsozialisten im Sommer 1942 aus den französischen Lagern nach Auschwitz verschleppt und dort ermordet. Vier Brettener Jüdinnen und Juden waren bereits vor dem Sommer 1942 in einem der französischen Lager verstorben.

Jüdische Ortsgeschichte

Bereits im Mittelalter wurden jüdische Händler in der damals kurpfälzischen Stadt Bretten aktenkundig. Fast alle dieser Erwähnungen stehen im Zusammenhang mit einem Verfolgungsgeschehen. Nach dem Dreißigjährigen Krieg entwickelte sich eine jüdische Gemeinde in Bretten. 1822 weihte sie ihre Synagoge am Engelsberg (Nr. 4-6) ein. Ihre höchste Mitgliederzahl erreichte sie 1895 mit 265 Personen. 1925 gehörten ihr 155 Mitglieder an (2,8% der Einwohnerschaft Brettens). Jüdische Gewerbetreibende trugen zur wirtschaftlichen Entwicklung Brettens wesentlich bei. Es gab u.a. eine jüdische Herdfabrik, eine Zigarrenfabrik, eine Textil-Großhandelsfirma, eine Schuhfabrik, eine Branntweinbrennerei und eine Likörfabrik.

Der Brettener SS-Sturmbann III/62 übernahm im Novemberpogrom 1938 die Rolle des Volkszorns. Seine Mitglieder steckten am 10. November 1938 die Synagoge in Brand, plünderten das jüdische Gemeindehaus und warfen die Schaufenster jüdischer Geschäfte ein. Etwa 30 jüdische Männer mussten, begleitet von Musik, durch die Stadt zum Bahnhof marschieren. Ein Zug brachte sie über Bruchsal in das KZ Dachau. Erst nach Wochen oder Monaten durften sie das Lager wieder verlassen. Anfang September 1939, zu Beginn des Zweiten Weltkrieges, hielt man die noch in Bretten lebenden Jüdinnen und Juden in einem Haus gefangen.

Zeugnisse jüdischen Lebens
Synagoge

Am Engelsberg erinnert ein 1988 aufgestellter Gedenkstein an die ehemalige Synagoge Brettens.

Friedhof

Auf dem 1883 eingerichteten jüdischen Friedhof am Windstegweg stehen noch 144 Grabmale.

Stolpersteine

 „Stolpersteine“ in Bretten: https://ka.stadtwiki.net/Stolpersteine_in_Bretten

Quellen
Halbritter, Maria: Die jüdische Gemeinde in Bretten. Einblicke in ihre Geschichte. 1990, in: Brettener Jahrbuch für Kultur und Geschichte, 1 (1999), S. 112-140
Stude, Jürgen: Geschichte der Juden im Landkreis Karlsruhe, Karlsruhe 1997, S. 318-325
„Sämtliche Juden sind hier weggebracht worden": Ausstellung zum 80. Jahrestag der Deportation der jüdischen Bevölkerung Brettens nach Gurs am 22. Oktober 1940, in: Jahrbuch für badische Kirchen- und Religionsgeschichte 15 (2021), S. 479-508
Brändle, Brigitte u. Brändle, Gerhard: Jüdische Kinder im Lager Gurs: Gerettete und ihre Reter*innen. Fluchilfe tut not - eine notwendige Erinnerung. Karlsruhe 202020