Gemmingen/Stebbach

2015 - Jugend der evangelischen Kirchengemeinde Gemmingen/Stebbach

Ein massiver Sockel, aus lokalem Sandstein gefertigt, symbolisiert die damalige Dorfgemeinschaft in Gemmingen und die in Stebbach. Der Sockel steht somit für die beiden Ortsgemeinden mit ihren Bewohnern, also für die jeweilige Gesellschaft. Die Jüdinnen und Juden wurden aus dieser Gesellschaft herausgerissen durch die Deportation nach Gurs. In der Ortsgemeinschaft fehlen danach die sieben Gemminger und die zwei Stebbacher Bürgerinnen und Bürger jüdischen Glaubens, es fehlt uns das jüdische Leben. Darum ist ein Davidstern aus der Vorderseite des Mahnmalsteins herausgeschnitten. Wer von oben auf das Mahnmal blickt, sieht Schienen. Auf den Schienen liegt der herausgerissene Judenstern. Er ist vergrößert dargestellt uns hat ungefähr die Größe eines Waggons. Das bedeutet: ab Eppingen sind diese Menschen per Eisenbahn abtransportiert worden. Der Davidstern ist zudem in der Mitte zerbrochen, wodurch Schmerz und Leid der Opfer verdeutlicht werden soll. Nach dem ebenen Verlauf der Schienen, stürzen diese an der Seite des Steins hinab und münden in einen schwarzen Tunnel. Der Tunnel ist aus Stahl gefertigt und soll die Form eines Krematoriums andeuten. Damit wird klar, wo der Leidensweg vieler Juden endete. Für viele der Deportierten war der Leidensweg schon in Gurs zu Ende, sie starben entkräftet oder krank. Zwei Drittel aber führte der Leidensweg bis in die Vernichtungslager des Ostens.

Geschichtsabriss:

ZU GEMMINGEN

Die im 18. Jahrhundert gegründete jüdische Gemeinde des reichsritterschaftlichen Dorfes Gemmingen feierte ihre Gottesdienste zuerst in einem privaten Betsaal, dann ab 1821 in ihrer neu erbauten Synagoge in der Schwaigener-Straße. Ihren Lebensunterhalt verdienten ihre Mitglieder vor allem mit ambulantem Viehhandel und mit Handel von Agrarprodukten; Ende des 19. Jahrhunderts gingen einige von ihnen dazu über Ladengeschäfte einzurichten. 1875 zählte die jüdische Gemeinde 190 Mitglieder (15,7 % der Einwohnerschaft). Durch Abwanderung in die Städte schrumpfte sie rasch, 1933 gehörten ihr nur noch 47 Personen an. Während des Novemberpogroms 1938 verwüsteten SA-Männer den Betsaal der Synagoge, verzichteten aber darauf, das Gotteshaus anzuzünden, um die umliegenden Gebäude nicht zu gefährden. Die noch existierenden jüdischen Geschäfte wurden liquidiert.

Am 22. Oktober 1940 lebten nur noch sieben jüdische, vorwiegend ältere Menschen in Gemmingen. Ein damals neunjähriger Augenzeuge erinnerte sich an diesen Tag: „Plötzlich fuhr ein Lastwagen vor. Die zwei älteren Judenfrauen aus dem vorderen Gebäude wurden verladen, so wie man Vieh verlädt. Vielleicht haben sie die Frauen auch auf den Wagen geworfen, weil sie ziemlich gebrechlich waren und es den Aufsehern nicht schnell genug gegangen ist. Ich habe meinen Großvater gefragt, was das bedeuten soll, mir war klar, dass etwas Schlimmes passiert ist". Nach den Recherchen der israelischen Gedenkstätte Yad Vashem und des deutschen Bundesarchivs wurden fünf Gemminger Deportierte in den Gaskammern von Auschwitz von den Nationalsozialisten ermordet. Das Gedenkbuch des Bundesarchivs zählt auch den 1858 geborenen Hermann Oppenheimer zu den Todesopfern der Deportation, ohne dass sein Todesort und die Todeszeit ermittelt werden konnte. Auch über das Schicksal von Rickchen Kahn liegen keine Informationen vor, doch es wird vermutet, dass sie die Zeit der Verfolgung überleben konnte.


ZU STEBBACH

1704 wurde zum ersten Mal ein jüdischer Händler in dem reichsritterschaftlichen Dorf Stebbach aktenkundig. Um 1826, als die jüdische Gemeinde etwa 75 Personen (ca. 10 % der Einwohnerschaft) umfasste, wurde eine Synagoge erwähnt. Die jüdischen Familien lebten überwiegend vom Vieh- und Warenhandel. 1912 ernannte die bürgerliche Gemeinde Stebbach den langjährigen Ratsschreiber Jonas Eisinger zu ihrem ersten Ehrenbürger. 1905 löste sich die auf etwa 10 Mitglieder geschrumpfte jüdische Gemeinde mit Beschluss des badischen Staatsministeriums auf; ihre verbliebenen Mitglieder schlossen sich der jüdischen Gemeinde Gemmingen an. Die Synagoge, die schon lange nicht mehr genutzt worden war, verfiel.

Am 22. Oktober 1940 lebten in Stebbach nur noch Josefine Ottenheimer und die von Geburt an blinde Jette Eisemann. Ein Zeitzeuge, der als Neunjähriger vor dem Haus seiner Großeltern in Stebbach spielte, erinnerte sich an ihre Abholung „Plötzlich fuhr ein Lastwagen vor. Die zwei älteren Judenfrauen aus dem vorderen Gebäude wurden verladen, so wie man Vieh verlädt. Vielleicht haben sie die Frauen auch auf den Wagen geworfen, weil sie ziemlich gebrechlich waren und es den Aufsehern nicht schnell genug gegangen ist. Ich habe meinen Großvater gefragt, was das bedeuten soll, mir war klar, dass etwas Schlimmes passiert ist. Ich saß da wie vom Donner gerührt.“ Noch am Tag der Deportation erbat ein Stebbacher Schmied vom Sinsheimer Landrat „Auskunft über die käufliche Erwerbung des Gebäudes und des Anwesens der Jüdin Josefine Ottenheimer, Hauptstraße“. Josefine Ottenheimer konnte die Zeit der Verfolgung überleben, verstarb aber 1945 in der französischen Stadt Mâcon. Die Spur von Jette Eisemann verliert sich im Lager Gurs.

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